Seed
(Dr. Uwe Boll, Kanada 2007)
Kino
Wenn man eines der glücklichen elf Kinos in der Nähe hat, die über eine Kopie des Filmes verfügen (zudem noch ungeprüft dank Dr. Boll), dann muss man das wohl auch ausnutzen. Ja, selbst nach solch einem Desaster wie Dr. Bolls letztem, POSTAL. Obwohl ich diesen für den wohl schlechtesten Film seit Jahren halte, haben seine Filme doch einen gewissen Reiz, dem ich mich nicht entziehen kann. Und so kann ich es auch kaum erwarten, Dr. Bolls nächsten Streifen in die Finger zu bekommen, nämlich die Videospielverfilmung – wer hätte es gedacht – IN THE NAME OF THE KING: A DUNGEON SIEGE TALE. Allein wohl schon deshalb, um zu sehen, wie schlecht sein neuer Film dieses Mal geraten ist – oder eben auch nicht. Genau diesem Phänomen bin ich nämlich mit SEED begegnet, der erste Film des Dr. phil., der gar nicht so schlecht ist, ja den ich sogar als seinen bis dato besten bezeichnen würde (habe aber noch nicht alle gesehen).
SEED krankt in genügend Aspekten, keine Frage. Doch macht er auch vieles richtig. Sowohl inszenatorisch, als auch atmosphärisch spielt sein Film auf hohem Niveau, auch wenn zu jeder Sekunde nur allzu deutlich ist, welche Film dem guten dabei als Blaupause dienten (am ehesten eine Mischung aus SE7EN, SAW und THE SILENCE OF THE LAMBS). Ja, richtig, Dr. Boll schafft es wirklich, einen bisweilen äußerst spannenden Film auf die Beine zu stellen. Da viele Szenen aber im nahezu Stockdunkeln spielen, nicht sonderlich verwunderlich, denn das ist durchaus schon die halbe Miete. Bei seinen Figuren gelingt ihm das ebenfalls bis zu einem gewissen Grad. Zumindest seinen Protagonisten, Bishop (Michael Paré), rückt er (als einzigen) etwas in den Fokus, versucht seine innere Zerrissenheit herauszuarbeiten, sein Gefühl für Recht und Ordnung. Dass das aber nicht wirklich einer ordentlichen Charakterstudie gleicht, dürfte ohnehin klar sein. Es ist angesichts des Genres aber auch nichts, wofür sich der gute Herr Dr. schämen müsste (das muss er ja schon für genügend andere Dinge).
So ist SEED im Prinzip nichts anderes als ein gewöhnlicher Thriller mit einem Serienkiller, der Amok läuft. Hier und da ein paar härtere Einstellungen und kreative Morde, das ist man ja mittlerweile gewohnt. Doch dann, abgesehen von den Tiersnuffszenen zu Beginn des Filmes – immerhin steckt hier eine wirklich lobenswerte Intention dahinter, denn Dr. Boll spendet in Zusammenarbeit mit PETA 2,5% des Einspielergebnisses an die Tierschutzorganisation um ebensolchen Szenen zu entgegnen – folgt inmitten des Höhepunktes eine Szene, die abstoßender und sensationsgieriger nicht hätte sein können: Seed (Will Sanderson) bearbeitet eine ältere Frau mit einem Hammer… Dabei ist ebendiese Szene aber nicht nur Produkt eines bloßen Sensationsgiers seitens Dr. Bolls, sondern wirkt sie im Gesamtkontext auch gerade zu als ein Fremdkörper. Zumindest mir ist kein Zusammenhang zu den anderen Figuren bewusst geworden, alles wirkt wie gewaltvoll hineingesetzt, nur der Gewalt willen. Eines muss man dem Regisseur dann aber auch lassen: konsequent und Ziel orientiert (er brachte die Filme auf eigene Verantwortung ungeprüft in die Kinos) ist er ja.
Und was soll man ihm sonst noch groß vorwerfen? Sein Ziel hat er jedenfalls erreicht, denke ich nur mal an das gestrige Kinopublikum, dem man den Ekel von wirklich jedem Gesichtszug ablesen konnte. Das war es was Dr. Boll (schon mit seinem Vorgänger) wollte, total unfähig scheint er also doch nicht zu sein. Doch genug der lobenden Worte, denn als Gesamtes ist der Film viel zu unrund, es ist viel zu offensichtlich, was Dr. Bolls Intention war, nämlich vielmehr Schocken als einen guten Film abzuliefern. Selten habe ich ein solch abruptes Ende gesehen, selten solch ein schlechtes Timing. Von dem viel zu inflationär eingesetzten Score, wenn auch bisweilen schön atmosphärisch, und der Handwackelkamera mal ganz zu schweigen (kauft dem Mann doch endlich ein Stativ, dachte ich mir die ganze Zeit nur). So leicht zu durchschauen und spekulativ SEED auch sein mag, so konsequent und straight ist er andererseits aber auch. Formal gibt es wirklich wenig auszusetzen, so dass ich mich wirklich das erste und hoffentlich auch nicht letzte Mal traue zu sagen, dass Dr. Boll einen soliden Film gemacht hat. (6/10)